Schon während meines Studiums wurde uns regelmäßig vorgetragen, dass wir unsere Sprachen pflegen müssen, denn wir wollen sie nicht verlernen. Was heißt, seine Sprachen pflegen? Eine Kommilitonin und ich hatten dazu eine Präsentation erstellt, worauf es dabei ankommt und was zu beachten ist und wir nannten das Konzept: „Die jeweiligen Sprachen konsumieren.“

Mit „konsumieren“ meinten wir dabei alle Möglichkeiten, eine Sprache zu erleben und in sich aufzunehmen. Ich werde im Folgenden diese Methoden erklären: Reden, lesen, sehen/hören und, ganz banal, lernen. Fangen wir doch direkt mit der allerwichtigsten Methode an:


Die für mich wichtigste Methode, eine Sprache zu pflegen, ist reden. Das mag dem einen oder anderen Übersetzer schwer fallen. Die Gründe können dabei höchst unterschiedlich sein, beispielsweise die Angst, Fehler zu machen. Ja wirklich, das ist kein Witz. Auch oder wahrscheinlich besonders Übersetzer haben Angst davor, Fehler in der anderen Sprache zu machen. Ich weiß noch, als ich mal in einer Unterrichtsstunde auf Englisch sagte: „I didn’t know what love was in the first place.“ Ich habe mich zu Tode geschämt, aber mein britischer Dozent und meine Kameraden haben sich köstlich amüsiert.

Aber davor darfst Du keine Angst haben! Nur dann weißt Du, was falsch und was richtig ist und lernst dazu. Wenn Freunde von mir Fremdsprachen lernen wollen, haben sie Angst und fragen mich, wie ich so „locker“ und fließend Englisch sprechen kann. Üben, üben, üben! Selbst meine Schwester will mit mir manchmal Englisch reden, einfach zum Üben. Ganz zu schweigen von „locker“. Ich schwitze jedes Mal Blut und Wasser aus Angst davor, Fehler zu machen, aber ich rede trotzdem, wie mir der Schnabel gewachsen ist. ;)

Ein weiterer Grund kann natürlich auch sein, dass Du, wie so viele von uns, Übersetzer werden wolltest, weil Du introvertiert bist und in Deinem Kämmerchen vor Dich hin übersetzen möchtest, ohne allzu viel Kontakt zu anderen. Das ist zwar verständlich, im digitalen Zeitalter sollte es jedoch nicht schwer für Dich sein, jemanden zu finden, mit dem Du Dich so gut verstehst, dass Du wenigstens ab und zu ein Skype-Telefonat mit dieser Person führst. Hoffe ich jedenfalls. ;) Es ist übrigens erstaunlich, wie schnell selbst eine introvertierte Person aufblühen kann, wenn sie jemanden findet, der sich vielleicht für genau dieselben schrägen Bücher im Science-Fiction-Bereich interessiert und, zack, fangen sogar die wortkargsten Übersetzer an, zu reden wie ein Wasserfall.

Und achte mal auf die Werbung von Babbel: Das Alien lernt zwar Vokabeln, aber wendet sie in der Praxis an (sehr authentisch übrigens, wie ich finde).


Kommen wir als nächstes zum Lesen. Ich glaube, bis ich Mitglied der Facebook-Gruppe „ÜbersetzerInnen“ geworden bin, ist mir nie wirklich klar gewesen, dass Übersetzer sehr viel lesen. Ich persönlich lese sehr viel. Mein Partner findet, ich lese zu viel. Zu viel lesen, ist mir aber fremd. Und bezüglich der Gruppe: Ich bin mir sicher, dass jeder einzelne Kommentar von den meisten gelesen wird. Das liegt einfach in unserer Natur.

Wenn Du Übersetzer werden willst, solltest Du das auch können und wollen, denn als Übersetzer musst Du viel lesen. Ich will jetzt nicht so weit gehen und sagen, dass es egal ist, was Du liest, aber wichtig ist, DASS Du liest. Und zwar alles, was Du finden kannst. Romane, Sachbücher, Zeitungen, Magazine, Blogs, Websites, Social Media, Überschriften, Plakate, ja sogar Whatsapp-Nachrichten. Das A und O der Branche ist LESEN.

Und weißt Du, was das Beste daran ist? Du kannst es perfekt mit Deinem Beruf verbinden. Okay, zugegeben, ich lese nicht jeden Tag Gebrauchsanweisungen oder Benutzerhandbücher, weil ich das oft übersetze. Aber dennoch lese ich sie jedes Mal, wenn ich etwas kaufe. Da ich auch Finanzübersetzungen anfertige, lese ich immer den Wirtschaftsteil der Zeitungen und Nachrichtenapps. Ich speichere, wie Artikel auf Deutsch, Englisch oder Spanisch geschrieben werden. Welche Fachtermini sind zurzeit „in“ oder nicht mehr aktuell? Wie ist sowas aufgebaut? Wie formulieren Journalisten ihre Sätze? Genau dasselbe gilt für: Romane, Sachbücher, Comics, Mangas, Websites, Social Media, Überschriften, Plakate, Prospekte, Kataloge, Broschüren, Flyer, Schilder…

Im Allgemeinen bin ich jemand, der am liebsten alle Arten von Romanen und Sachbüchern liest. Da reicht die Palette von „Wuthering Heights“ von Emily Bronte bis zu „Das Psychologie-Buch“ von Catherine Collin. Ich glaube, auf meinem Stapel angefanger Bücher taumeln sich inzwischen 20-30. Ich lese täglich Nachrichtenartikel und fast täglich Blog- und Facebookbeiträge, je nachdem, wieviel Zeit ich habe. Social Media finde ich persönlich wichtig, um auf dem neuesten Stand zu bleiben, was in den jeweiligen Sprachen gerade geschrieben wird oder, um es mit Martin Luthers Worten zu sagen: Ich schaue dem Volk aufs Maul. :P

Wichtig ist, dass Du nicht nur in Deiner Fremdsprache liest, sondern auch und besonders in Deiner Muttersprache. Immerhin übersetzt Du ins Deutsche und Du willst doch stilistisch und linguistisch ansprechend klingen. Aber jetzt denk bloß nicht, dass Du Deine Übersetzungen so ausschweifend schreiben solltest wie George R. R. Martin seine Game of Thrones-Bücher. Ich würde Dir das jedenfalls nicht empfehlen, wenn Du eine klinische Studie übersetzt. ;)


Darauf haben jetzt sicher alle gewartet: Netflix binge watching (Serienmarathon).

Okay, eines vorneweg, ich kann es mir einfach nicht verkneifen: Den ganzen versnobten Möchtegerns, die Serien und Filme nur im Originalton anschauen, „weil es ja so viel besser klingt als die blöde deutsche Synchronisation“, sei mal gesagt, dass die Übersetzer und Untertitler unter extrem hohen Druck stehen und zwar genau wegen euch. Weil ihr eure finale Game of Thrones-Staffel am selben Tag sehen wollt wie die Amerikaner. Weil ihr nicht ein paar Monate auf die nächste The Walking Dead-Staffel warten könnt. Und das kotzt mich extrem an. Ihr habt keine Ahnung, wie schwierig es ist, unter so hohem Zeitdruck zu übersetzen und dabei eine gute Übersetzung inklusive guter Witze hinzubekommen. Die Qualität wird immer schlechter, weil a) hoher Zeitdruck + b) schlechtes Honorar = c) schlechte Qualität.

Ich finde übrigens, am meisten gelungen ist die Übersetzungen bei den Serien „The Big Bang Theory“ und „How I Met Your Mother“. Ich habe die Serien abwechselnd auf Deutsch und Englisch angeschaut und war sehr begeistert, was für eine großartige Arbeit die Übersetzer da geleistet haben. Ach so, und apropos lesen: Ich empfehle euch auch, Untertitel zu lesen. Ja ich weiß, sie sind oft suboptimal, aber die Bezahlung ist es eben auch. Und solange sich nicht genug Kunden in großer Zahl beschwerden, bleibt das auch so. Ich hatte selbst Interesse am Untertiteln oder Drehbücher übersetzen und verzichte dankend. Ich danke allen Kollegen, die sich aus Gefallen und Spaß an der Arbeit die undankbare Mühe machen, dies zu übernehmen. Selbiges gilt für die lieben Literaturübersetzer, deren Arbeit überhaupt nicht honoriert wird. Okay, genug aufgeregt.

Ich mache das mit dem Filme und Serien anschauen, wie es mir beliebt. Die aus Spanien und Lateinamerika versuche ich, immer auf Spanisch anzuschauen (manchmal mit Untertitel, sie reden doch sehr schnell^^). Da gibt es diese tolle Serie „Narcos“ auf Netflix über Pablo Escobar, die finde ich sehr gut gemacht und ich komme sehr gut mit dem Spanisch mit. Außerdem ist es aufregend, wenn man wieder einen Unterschied zwischen den beiden Arten von Spanisch entdeckt hat. :D Manche Serien gucke ich zum Beispiel dann wiederum nur auf Deutsch, manche nur auf Englisch, manche in allen Sprachen. Sofern ich Zeit habe. Im Gegensatz zu meinen Teenie-Zeiten, wo ich bis zu sechs Filmen an einem Tag gesehen habe, bin ich als Erwachsene froh, überhaupt mal Zeit für einen Film zu haben…


Die letzte Methode ist lernen. Ja, dazu gehört auch, aber nicht nur, Vokabeln lernen. Es ist meiner Meinung nach unabdinglich, dass Du Dir Fachlektüre zulegst. Ich habe Bücher zum Übersetzen im Allgemeinen (wobei die eher schwer zu finden sind), ich habe verschiedene Duden, ich habe verschiedene Wörterbücher. Da ich in der Automobilbranche übersetze, habe ich beispielsweise ein Buch über KFZ-Fachwissen. Und so weiter.

Ich habe nicht nur Termbanken bei Trados erstellt, sondern sogar noch richtige handgeschriebene Zettel, die ich gerne beim Übersetzen zu Rate ziehe. In meinem Studium habe ich mir die Wörter überall im Zimmer aufgeklebt, damit ich sie überall vor Augen hatte. Ich habe sogar Bildwörterbücher, die ich übrigens sehr empfehlenswert und cool finde, ich bin nämlich auch ein visueller Lerner.

Ich lerne aber auch, wie man richtig Texte textet (Stichwort Blogs lesen) oder schöne Sätze formuliert. Meine Sätze sind leider immer noch stellenweise etwas lang (es setzt sich ja der Trend durch, wie im Englischen kurze und knappe Sätze zu formulieren, weil niemand die typisch deutschen komplizierten und verschachtelten Sätze lesen will) und ich habe noch viele Füllwörter drin, aber ich übe.

Du musst lernen, wieso ein Satz in Deiner Fremdsprache so formuliert wird, wie er formuliert wird und wie Du das am besten ins Deutsche überträgst. Wusstest Du, dass es im Russischen unzählige Ausdrücke gibt für die vielen verschiedenen Schattierungen der Farbe Blau? Lerne alles über Deine Sprachen, was Du lernen kannst. Ich gucke auch gerne branchenrelevante Videos auf TED (wo ich das mit der Farbe Blau herhab :3), da lernst Du so einiges. Oder einfach Dokus schauen. In Dokus kannst Du viel über die Länder und Kulturen Deiner Fremdsprachen lernen.

Fun fact: Du kannst auch Kurse besuchen. Gut, es gibt die Seminare zu Horrorpreisen, an denen Du teilnehmen könntest. Ich wollte mal in Heidelberg ein zweitägiges Seminar für das medizinische Übersetzen Englisch > Deutsch besuchen, aber als Anfänger konnte ich mir die 990 Euro einfach nicht leisten. Aber Du könntest beispielsweise an Kursen der VHS teilnehmen. Oder an Webinaren. Es gibt viele Möglichkeiten, Dich irgendwie weiterzubilden. Nimm sie wahr!


Es ist im Grunde egal, welche der Methode Dir am liebsten ist, aber eines ist wichtig: Du musst das machen, sonst verlernst Du Deine Sprache(n). Und darunter wird Deine Übersetzung qualitativ im Sinne von Stil und Linguistik leiden. Natürlich kannst Du auch im Ausland leben, um Deine Sprache zu pflegen. Das wäre wahrscheinlich die beste Methode, aber es gibt auch Kritiker, die der Meinung sind, dass Du dann Deine Muttersprache zu sehr vernachlässigst und nur dann zuverlässig in Deine Muttersprache übersetzen kannst, wenn Du auch dort wohnst. Wobei ich bezweifle, dass Du Deine Muttersprache so sehr verlernst, wenn Du zwei Jahre in Irland lebst. Du kannst Dir dabei höchstens den irischen Akzent angewöhnen. *lach*

Im Ernst jetzt: Ich habe Dir vier Möglichkeiten aufgezeigt, wie Du Deine Sprachen pflegen kannst. Du kannst die Sprache entweder sprechen (am besten mit Muttersprachlern, versteht sich), Du kannst lesen, Filme und Serien anschauen oder lernen. Du kannst dabei neue Wörter lernen, die Satzstruktur, Formulierungen, Wendungen, Umgangssprache, Eigenheiten, und vieles mehr erkennen. Ich finde diese linguistischen Entdeckungen immer sehr spannend, aber ich bin auch ein extrem neugieriger Mensch.

Erzähl mir doch in den Kommentaren, was Du machst, um Deine Sprache(n) zu kommentieren! Wenn Du Übersetzer bist, liest Du wahrscheinlich viel… Hihi